Bankenwelt im Wandel
Dr. Wolfgang Sawazki im Private Banking Magazin: Warum privates Asset Management im Rheinland so boomt
Neben Frankfurt, als dem dominierenden Zentrum der deutschen Banken- und Publikumsfondslandschaft, hat sich die Metropolregion Rheinland in den letzten Jahren als bedeutsamster Standort für bankenunabhängiges Asset Management in Deutschland etabliert. Dieses Segment dürfte in den nächsten Jahren weiter dynamisch wachsen. Die Entwicklung verläuft analog zu den USA, wo Boston eine wichtige Rolle neben dem traditionellen Finanzzentrum New York übernommen hat.
Die Liste der im Rheinland ansässigen Firmen ist namhaft: Mit Flossbach von Storch, dem größten inhabergeführten Vermögensverwalter in Deutschland überhaupt, sowie der VM Vermögensmanufaktur, Lingohr & Partner, Sauren Fonds-Service, Rhein Asset Management sowie der SALytic Invest haben einige der bedeutendsten privaten Asset Manager Deutschlands ihren Hauptsitz hier. Hinzu kommt noch eine Vielzahl kleiner und mittelgroßer Vermögensverwalter wie beispielsweise Grossbötzl, Schmitz & Partner, Wagner & Florack oder SMS & Cie. Vielfach sind diese aus Banken hervorgegangen.
So konnte sich im Rheinland in den vergangenen zehn Jahren ein sehr stark wachsendes Marktsegment abseits der klassischen, von (Groß-)Banken dominierten Fondsgesellschaften etablieren. Daneben sind große institutionelle Asset Manager wie Oddo BHF (ehemalige West LB AM) und HSBC Asset Management weiterhin lokal vertreten.
Die Gründe hierfür sind mehrschichtig. So ist eine Vielzahl namhafter, lokal verwurzelter Finanzhäuser in den vergangenen Jahren in multinationalen Finanzkonzernen aufgegangen oder verschwand vollständig vom Markt. Beispiele hierfür sind das Bankhaus Sal. Oppenheim, das Bankhaus Lampe, das Bankhaus Delbrück & Co. oder Merck Finck & Co.
Bei Commerzbank und Deutsche Bank sind die Asset-Management-Abteilungen nach Frankfurt verlagert worden. Eine ähnliche Entwicklung habe sich auch in Teilen der Versicherungsbranche gezeigt, wo die Investmentkompetenz etwa bei der Axa (ehemals Axa-Colonia) von Köln nach Paris sowie bei der AM Generali nach Italien verlegt wurde.
Zwar sind nach wie vor viele etablierte Anbieter wie etwa das Bankhaus Bethmann (Teil von ABN Amro), Quintet (ehemals Merck Finck & Co.), DJE oder auch M.M. Warburg im Rheinland präsent, dies allerdings meist nur mit Vertriebseinheiten. Das Investment-Know-how ist dagegen auch bei diesen Häusern zentral an anderen europäischen Standorten angesiedelt worden. Diese Erosion der klassischen Bankenlandschaft und Asset-Management-Basis in der Region führte unweigerlich zur Freisetzung und Verfügbarkeit von hochqualifiziertem Personal, was den Aufbau neuer Einheiten stark begünstigte.
Die Nachfrageseite im Rheinland
Gleichzeitig bestehe eine hohe Nachfrage nach umfassenden, qualifizierten Dienstleistungen rund um die private und institutionelle Vermögensverwaltung. Das Rheinland ist mit aktuell 8,7 Millionen Einwohnern nicht nur die bevölkerungsreichste Metropolregion Deutschlands, sondern nimmt mit einem Bruttoinlandsprodukt von 354 Milliarden Euro (2018) im Vergleich mit anderen deutschen Metropolregionen auch bei der Wirtschaftsleistung eine Spitzenposition mit überdurchschnittlichem Wachstum ein (Quelle: IHK Initiative Rheinland, 2019).
Zudem verfüge die Region über eine in Deutschland einmalige Dichte an international agierenden Unternehmen und mittelständischen Weltmarktführern, welche sich zum Teil im Besitz sehr vermögender Unternehmerfamilien befinden. Des Weiteren haben neben den internationalen Konzernen Axa und Generali eine Vielzahl großer Versicherungsgesellschaften (Gothaer, Provinzial, DEVK, LVM, Barmenia et cetera), Versorgungswerke des einwohnerstärksten Bundeslandes (Ärzte, Kirchen, Zahnärzte, Anwälte, Architekten et ecetera) sowie namhafter Stiftungen (Fritz Thyssen Stiftung, Gerda Henkel Stiftung, Stifterverband, Aktion Mensch, Bertelsmann Stiftung, Deutsche Stiftungen Denkmalschutz) ihren Sitz im Rheinland.
Diese Anlegergruppen fragen auch lokale Expertise nach, um nicht nur von Investmentprofis in Frankfurt, Paris, Zürich oder London abhängig zu sein. Zwar helfe die zunehmende Digitalisierung, räumliche Distanzen mit technisch ansprechenden Lösungen, wie dem Einsatz von Videokonferenzen oder der digitalen Kontoeröffnung, zu überbrücken, was durch die Corona-Pandemie noch einmal beschleunigt worden ist. Dennoch macht gerade die Corona-Krise auch bewusst, wie wichtig regelmäßige persönliche Kontakte für die in der Vermögensverwaltung so wichtige Vertrauensbildung und den Know-how-Transfer zwischen Anleger und Asset Manager sind.
Ein weiterer begünstigender Faktor ist, dass die lokale Präsenz den hier ansässigen, privaten Asset Managern einen schnellen Zugang zu kompetenten Entscheidungsträgern bei Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Politik und Verbänden erlaubt, was die Basis für eine erfolgreiche Research-Arbeit darstellt.
Zudem zeigen viele Studien, dass „mittelgroße Schnellboote“ im Asset Management aufgrund ihrer besseren Beweglichkeit und Unabhängigkeit von Konzerninteressen, eigene Research-Ergebnisse besser in Anlageentscheidungen transformieren und infolgedessen häufig die Performance-Ranglisten anführen können.
So vergleicht etwa eine Studie der Londoner Universität Cass Business School aus dem Jahr 2020 die Wertentwicklung von 780 Long-Only-Fonds großer Asset Manager mit den entsprechenden Produkten kleinerer Anbieter über einen Zeitraum von Januar 2000 bis Juli 2019. Als Ergebnis stellen die Autoren eine Outperformance von Fondsboutiquen gegenüber großen Asset Managern von 0,23 bis zu 0,56 Prozent pro Jahr nach Abzug von Gebühren fest.
Besonders ausgeprägt ist diese Diskrepanz unter anderem bei europäischen Large Caps (Quelle: „Is there a Boutique Asset Management Premium?“, Cass Business School, London 2020). In die gleiche Richtung weisen zahlreiche Analysen von Morningstar, Lipper/Refinitiv oder Fondsconsult, bei denen private Asset Manager wie Flossbach von Storch, Lupus Alpha, Hartz, Regehr & Partner oder SALytic Invest regelmäßig Spitzenpositionen bei der Begutachtung ihrer Anlageergebnisse erreichen.
Die zahlreichen Erfolgsfaktoren sprechen dafür, dass bankenunabhängiges Asset Management im Rheinland auch in den kommenden Jahren eine dynamische Wachstumsbranche bleiben dürfte. Aufgrund der erfreulichen konjunkturellen Entwicklung und der hohen Zuwanderungsrate in der Metropolregion Rheinland werde der hiesige Bedarf an Asset-Management-Dienstleistungen weiter ansteigen.
Die jüngsten Nachrichten etwa zu den Restrukturierungs- und Kostensenkungsplänen der Commerzbank zeigen, dass der Konsolidierungs- beziehungsweise Abwanderungsprozess in der klassischen Bankenlandschaft noch nicht abgeschlossen ist. In Kombination mit den überdurchschnittlichen Anlageergebnissen der privaten Asset Manager ist davon auszugehen, dass Anleger auch zukünftig Kapital von den etablierten Playern hin zu den dynamischen, lokalen Investment-Boutiquen verlagern werden.
Der im Private Banking Magazin veröffentliche Artikel ist mit diesem Link abrufbar.
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