US-Arbeitsmarkt am Wendepunkt?

„It’s better to travel than to arrive“

Die US-Arbeitslosenquote ist nach einem Pandemie-bedingten Anstieg deutlich unter das Vor-Corona-Niveau zurückgefallen. Mit 3,4 Prozent liegt sie auf einem Wert, der zuletzt 1953 unterboten wurde. Der steigende Beschäftigungsgrad ging auch diesmal wieder einher mit markant anziehenden Löhnen, wenn auch zum Teil durch einen Sondereffekt verstärkt (der Anstieg der Löhne im zweiten Quartal 2020 lag an Corona-bedingten Strukturverschiebungen im Arbeitsmarkt und ist für eine längere Analyse zu ignorieren).

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit verhalf der US-Volkswirtschaft zu einem guten Wachstum, und auch die Unternehmen profitierten von Preisüberwälzungsspielräumen. Die US-Notenbank Fed strebt jedoch zur Dämpfung der Inflation eine deutlich höhere Arbeitslosenquote an. Je länger die Quote so niedrig bleibt, desto stärker sind die Hoffnungen der Marktteilnehmer auf kurzfristig fallende Zinsen in Frage zu stellen. Vielmehr könnte sie dann sogar zu einer weiteren Zinsanhebung gezwungen sein.

Erfolgt jedoch ein merklicher Anstieg der Arbeitslosigkeit, dürfte dies auch mit einer Rezession in den USA einhergehen. Die Preisüberwälzungsspielräume der Unternehmen sollten abnehmen, und parallel dazu sinkt mit steigender Arbeitslosigkeit in der Regel auch das Konsumentenvertrauen. Eine hohe Zuversicht bei den privaten Haushalten ging jedoch in der Vergangenheit einher mit hohen Aktienquoten bei Privatanlegern.

Unseres Erachtens werden Entlassungen aufgrund des allgemeinen Arbeitskräftemangels und der Erfahrungen aus der Pandemie dieses Mal später als in früheren Zyklen einsetzen. Dies dürfte ein Hauptgrund dafür sein, dass viele Marktteilnehmer schon viel früher mit einer US-Rezession gerechnet haben und in den letzten Monaten positiv von den US-Konjunkturdaten überrascht wurden. Zugleich führt dieser veränderte Zusammenhang dazu, dass die Modelle der Notenbank diesmal schlechter nutzbar sind und ein erhofftes „Soft Landing“ der US-Konjunktur eine deutlich größere Herausforderung wird. Kommt es jedoch zu einer Rezession, so fallen die Aktienkurse in der Regel über das ganze erste Drittel der Rezession hinweg. Die Ausgangsposition für weitere kurzfristige Kursgewinne am Aktienmarkt, vom aktuell sehr hohen Niveau aus, ist damit herausfordernd. Nur eine langsame, moderate Abschwächung des Arbeitsmarktes wäre u.E. ein positives Szenario für Aktien in den kommenden Monaten.