Kommentar zur US-Zinssenkung: Die „Rekalibrierung“ beinhaltet einige Überraschungen, ändert jedoch nicht das Weltbild

Basierend auf einer etwas schwächeren Prognose für das Wachstum im laufenden Jahr und deutlich höheren Prognosen für die Arbeitslosenquote im laufenden und in den nächsten Jahren, senkt die Fed die Zinsen zunächst stärker als allgemein erwartet. Der „dot plot“ signalisiert jedoch zugleich, dass es in den nächsten Jahren weniger Zinsschritte geben wird als von vielen Volkswirten prognostiziert. Die US-Notenbanker waren ganz offensichtlich überrascht über den Anstieg der Arbeitslosenquote und deuteten zudem Unsicherheit über deren zukünftige Entwicklung an. Hätten sie den vorherigen Arbeitsmarktbericht schon vor der letzten Sitzung gehabt, hätten sie wahrscheinlich schon früher mit den Zinssenkungen begonnen. US-Notenbankchef Jerome Powell möchte vermeiden, dass der Markt die gestrige Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte als einen Einstieg in einer Folge von weiteren großen Zinsschritten sieht. Er wiederholte immer wieder, dass dies eine Rekalibrierung sei, keine nachhaltige Änderung der Politik. Der Abbau der Notenbankbilanz wird unverändert fortgeführt – entgegengesetzt der Erwartung, dass die Fed diesen etwas zurücknimmt.

Für die Rentenmärkte ist dies eigentlich kein Grund für eine stärkere Rallye. Schließlich sind die Erwartungen der Fed für ihren Leitzins in den Jahren 2025 bis 2027 höher, als man es vor der gestrigen Sitzung erwartet hatte. Für das lange Ende der Zinsstrukturkurve ist dieses „frontloading“ auch mit größeren Risiken in Bezug auf die Inflationsentwicklung besetzt. Damit sollte die Zinsstrukturkurve weiter steiler werden. Für den US-Dollar ist dies nicht unbedingt schlecht, denn wenn der Markt die Prognosen der Fed übernehmen sollte, fallen die Zinsen nicht weiter. Für den Aktienmarkt sollte diese stärker vorausschauende Geldpolitik leicht positiv sein, denn sie erhöht ein wenig die Aussicht auf eine „weiche Landung“ der US-Konjunktur. Auch wenn die Fed stärker von einer datengetriebenen Vorgehensweise zu einer eher antizipativen Geldpolitik übergeht, ist dies eigentlich positiv zu sehen. Es führt auch zu einer eher gedämpften Volatilität, denn bei schlechten Konjunkturdaten kann der Markt nun eine deutlichere Reaktion der Geldpolitik antizipieren. Allerdings nehmen die Aktienmärkte bereits viel Positives vorweg. Zudem könnten die US-Präsidentschaftswahlen für Unsicherheit sorgen. Eine starke Rallye ist daher aufgrund dieser im Ausmaß überraschenden Änderung der Geldpolitik weder bei Aktien noch bei Anleihen zu erwarten. Es könnte jedoch sein, dass die Aktienmärkte nicht mehr ausschließlich von den größten Werten, sondern zunehmend auch von der Marktbreite getragen werden.